Der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat mit Beschluss vom 23. März 2001 das polizeiliche Verbot eines Protestmarsches deutscher Neonazis von Herzogenrath nach Kerkrade bestätigt.

Zur Begründung hat der 5. Senat u.a. ausgeführt:

" Es spricht nach summarischer Prüfung alles dafür, dass die angegriffene Verbotsverfügung rechtmäßig ist. Von der Versammlung geht nach aktueller Sachlage eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung aus, die die erlassene Verbotsverfügung gemäß § 15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes (VersammlG) rechtfertigt.

Die ... öffentliche Ordnung wird durch Bestrebungen unmittelbar gefährdet, die die nationalsozialistische Diktatur oder ihre führenden Vertreter und Symbolfiguren verherrlichen oder verharmlosen, auch wenn damit die Schwelle der Strafbarkeit im Einzelfall noch nicht erreicht sein mag. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn eine Versammlung erkennbar ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus beinhaltet und damit all jenen grundgesetzlichen Wertvorstellungen zuwiderläuft, die Ausdruck einer Abkehr vom Nationalsozialismus sind. So verhält es sich hier.

Die angemeldete Versammlung hat ein nationalsozialistisches Gepräge. Der potenzielle Teilnehmerkreis beschränkt sich auf das rechtsextreme, neonazistische Spektrum: Der Antragsteller ... zählt seit Jahren zu den bundesweit führenden Köpfen der Neonazi-Szene. ... Der Antragsteller leugnet auch gar nicht, dass er und der potenzielle Teilnehmerkreis der Versammlung nationalsozialistisch geprägt sind. Er stellt im Gegenteil in seiner Antragsschrift ausdrücklich klar, dass er selbst und das Teilnehmerspektrum rechtsextremistisches Gedankengut vertreten und dafür auch eintreten. Dass der Zweck der Versammlung in der Öffentlichkeit auch in diesem Sinne wahrgenommen wird, belegen die zahlreichen Veröffentlichungen in der örtlichen Presse im Vorfeld der geplanten Demonstration.

Auch die Art und Weise, in der die Versammlung durchgeführt werden soll, lässt bei lebensnaher Betrachtung nur den Schluss darauf zu, dass mit dieser Versammlung ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus abgelegt werden soll. Die Versammlung mag zwar daneben auch andere Ziele verfolgen. Der Antragsteller und die Versammlungsteilnehmer nehmen jedoch bewusst in Kauf, dass der geplante Protestmarsch von Neonazis über die deutsch-niederländische Grenze nach Kerkrade insbesondere bei der im Grenzgebiet ansässigen Bevölkerung Assoziationen an den Einmarsch deutscher Truppen in die Niederlande im Mai 1940 und an die nachfolgende dortige Schreckensherrschaft des nationalsozialistischen Besatzungsregimes weckt. Damit werden Ereignisse wachgerufen, welche die deutsch-niederländische Völkerverständigung lange Zeit erheblich belastet haben.

Der Eindruck eines Einmarschs von Neonazis wird noch verstärkt durch das geplante Mitführen von Trommeln und Fahnen, durch die beabsichtigte Marschformation sowie durch den Routenverlauf der Demonstration und das vom Antragsgegner angesprochene historisch belastete Datum, an dem sie stattfinden soll. Doch auch ohne diese äußeren Umstände würde der Protestmarsch in den Augen der Öffentlichkeit als Ansammlung von Neonazis in einer durch die Nationalsozialisten historisch besonders belasteten Grenzregion wahrgenommen und vernarbte Wunden wieder aufreißen.

Dieses Erscheinungsbild, das zur Wiederbelebung überwundener Ressentiments und zu einer Belastung im deutsch - niederländischen Verhältnis führen würde, läuft Wertentscheidungen des Grundgesetzes zuwider, denen zufolge jedwede Unfrieden stiftende nationalistische Verhetzung der Gemüter verboten ist.

Der in der Verbotsverfügung des Antragsgegners festgestellten unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung kann auch nicht durch ein milderes Mittel begegnet werden. Das Verbot des Mitführens von Fahnen und Trommeln, des Skandierens bestimmter Parolen, des Tragens uniformer Kleidungsstücke und ein etwaiges Verbot des Grenzübertritts in die Niederlande nähmen der beabsichtigten Versammlung nicht das beschriebene nationalsozialistische Gepräge. Zum einen sind entsprechende Assoziationen bereits maßgeblich durch die Person des Versammlungsleiters und den Kreis der Versammlungsteilnehmer determiniert, ohne dass es der ausdrücklichen oder konkludenten Kundgabe einer entsprechenden Gesinnung bedürfte. Zum anderen würde die Zulassung der Versammlung unter entsprechenden Auflagen, insbesondere unter dem Verbot des Grenzübertritts, bei der Bevölkerung in der Grenzregion gleichwohl den Eindruck einer Ansammlung deutscher Neonazis vermitteln, deren eigentliches Ziel - wie die parallele Anmeldung einer Versammlung in den Niederlanden zeigt - der Einmarsch in die Niederlande ist und bleibt.

5 B 395/01