Der 21. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 19. Juni 2002 erstmals zur Reichweite des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen Stellung genommen. Das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz soll den Bürgern grundsätzlich freien Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen des Landes vorhandenen amtlichen Informationen gewähren, soweit nicht schützenswerte öffentliche oder private Belange entgegenstehen.

In dem entschiedenen Fall ging es um Aufzeichnungen der Stadt Essen über den Ablauf einer Straßenbaumaßnahme. Der Inhaber einer Apotheke in Essen war der Auffassung, die von der Stadt veranlasste Straßenbaumaßnahme im Bereich seines Geschäftslokals habe unnötig lange gedauert und sei unzulänglich durchgeführt worden; hierdurch habe er erhebliche Umsatzeinbußen erlitten. Er verklagte die Stadt deshalb vor dem Landgericht Essen auf Schadensersatz. Das Landgericht verlangte von ihm nähere Angaben zum konkreten Ablauf der Straßenbauarbeiten. Um diese Angaben machen zu können, beantragte der Apotheker bei der Stadt unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Einsicht in die dort geführten Bautagebücher. Die Stadt lehnte den Antrag ab. Sie war der Ansicht, das Gesetz eröffne dem Bürger nur Zugang zu solchen Informationen, die eine Behörde aufgrund einer öffentlich-rechlichen Tätigkeit besitze. Die Straßenbauarbeiten habe jedoch ein privater Bauunternehmer aufgrund eines privatrechtlichen Werkvertrages für sie ausgeführt; die Bautagebücher dienten lediglich der Dokumention und Kontrolle einer ordnungsgemäßen Vertragsabwickung. Im Übrigen gehe es nicht an, dass sie Informationen herausgeben müsse, die dem Apotheker zum Erfolg seiner Schadensersatzklage verhelfen könnten. Der Apotheker erwirkte daraufhin beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine einstweilige Anordnung zur Einsicht in die Bautagebücher. Gegen diese Entscheidung legte die Stadt Essen Beschwerde ein, die das Oberverwaltungsgericht mit dem o.g. Beschluss zurückgewiesen hat.

Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Das Informationsfreiheitsgesetz finde auch dann Anwendung, wenn sich eine öffentliche Stelle des Landes zur Erfüllung ihrer Aufgaben privatrechtlicher Handlungsformen bediene. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers sei gewesen, die Transparenz und Akzeptanz behördlichen Handelns zu erhöhen sowie das Mitspracherecht und mittelbar auch die Kontrollmöglichkeiten der Bügerinnen und Bürger in Bezug auf das Handeln staatlicher Organe des Landes zu verbessen. Dieses Ziel würde angesichts der den öffentlichen Stellen zunehmend eröffneten und in Anspruch genommenen Möglichkeiten, bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf privatrechtliche Organisations- und Handlungsformen zurückzugreifen, weitgehend verfehlt, wenn der Anwendungsbereich des Gesetzes auf die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit beschränkt wäre. Im Übrigen habe der Gesetzgeber auch die Möglichkeit gesehen und in Kauf genommen, dass ein Bürger Akteneinsicht ausschließlich zu dem Zweck begehre, die gewonnenen Informationen im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses gegen die Behörde zu verwenden.

(Az.: 21 B 589/02)