Der Schulleiter eines Gymnasiums musste einen Schüler vom Besuch des Kinofilms „Krabat“ befreien, den die 7. Klasse im Rahmen des Deutschunterrichts als verbindliche Schulveranstaltung durchführte. Das hat der 19. Senat des Oberverwaltungsgerichts heute entschieden.

Die Eltern des 12-jährigen, die den Zeugen Jehovas angehören, beantragten die Befreiung ihres Sohnes, weil ihre Religion ihnen alle Berührungspunkte mit Spiritismus und schwarzer Magie verbiete. Die Klasse hatte vor dem Kinobesuch im Unterricht das Buch „Krabat“ von Otfried Preußler besprochen, woran der Sohn teilnahm. Der Schulleiter lehnte den Antrag ab, weil er darin einen „Präzedenzfall“ sah. Das Verwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung unter Hinweis auf den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag (Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Münster vom 12.02.2010). Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hatten die Eltern des Schülers Berufung eingelegt, der das Oberverwaltungsgericht mit dem eingangs genannten Beschluss stattgegeben hat.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Schulleiters für rechtswidrig erklärt. Die Eltern hätten nachvollziehbar und überzeugend ihre ernsthafte Glaubensüberzeugung dargestellt, nach der sie das im Buch beschriebene und im Film zur Anschauung gebrachte Praktizieren schwarzer Magie ablehnen. Der vom Grundgesetz gebotene schonende Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen sei unter Aufrechterhaltung der Teilnahmepflicht des Sohnes nicht möglich gewesen. Insbesondere sei es dem Sohn nicht zumutbar gewesen, bei denjenigen Filmszenen, die seinen Glaubensüberzeugungen und denen seiner Eltern widersprachen, entweder die Augen zu verschließen und sich die Ohren zuzuhalten oder den Kinosaal für die Dauer dieser Szenen zu verlassen. Da der Sohn an der Besprechung des Buches im Unterricht sowohl vor als auch nach dem Kinobesuch teilgenommen habe, müsse der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag im vorliegenden Einzelfall ausnahmsweise zurücktreten.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann das beklagte Land NRW mit der Beschwerde die Zulassung der Revision beantragen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 19 A 610/10