Die Übergabe eines im Golf von Aden von einer Fregatte der deutschen Marine aufgegriffenen mutmaßlichen somalischen Piraten an Kenia im März 2009 war rechtswidrig. Das hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom heutigen Tage festgestellt und damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt.

Die Besatzung der Fregatte Rheinland-Pfalz hatte den Kläger und weitere acht Somalis am 3. März 2009 im Golf von Aden aufgegriffen. Sie standen unter dem Verdacht, kurz zuvor einen Piratenangriff auf das einer deutschen Reederei gehörende, unter der Flagge von Antigua und Barbuda fahrende Motorschiff "Courier" verübt zu haben. Die Fregatte war Teil der Seestreitkräfte, die im Rahmen der EU-Mission "ATALANTA" zur Abschreckung und Bekämpfung seeräuberischer Handlungen vor der Küste Somalias eingesetzt waren. Nach der Festnahme lief die Fregatte den Hafen von Mombasa an. Am 10. März 2009 wurden die Piraterieverdächtigen den kenianischen Behörden zum Zwecke der Strafverfolgung übergeben. Dort sitzt der Kläger nach wie vor in Haft.

Der von einem deutschen Rechtsanwalt vertretene Kläger hatte ursprünglich gegenüber der Bundesrepublik Deutschland die Feststellungen begehrt, dass seine Festnahme, sein Festhalten auf der Fregatte und seine Übergabe an Kenia rechtswidrig gewesen seien. Das Verwaltungsgericht Köln wies die beiden ersten Feststellungsanträge ab, stellte aber fest, dass die Übergabe des Klägers an Kenia rechtswidrig gewesen sei. Gegen diese Feststellung richtete sich die Berufung der beklagten Bundesrepublik Deutschland. Sie war der Auffassung, nicht sie, sondern allein die EU trage die völkerrechtliche Verantwortung für diese Maßnahme. Unabhängig davon sei die Übergabe aber auch rechtmäßig gewesen. Kenia habe der EU die Einhaltung völkerrechtlicher Mindeststandards schriftlich zugesichert, hierauf hätten sich die Beteiligten verlassen können.

Beide Einwände teilte der Senat im heutigen Urteil nicht. Die Bundesrepublik Deutschland habe maßgeblichen Einfluss auf die Übergabe gehabt und diese letztlich verantwortlich betrieben. So habe ein aus Vertretern verschiedener Bundesministerien (BMVg, AA, BMJ und BMI) gebildetes Entscheidungsgremium eine Verbringung der Piraterieverdächtigen nach Deutschland zur Strafverfolgung abgelehnt und sich für die Übergabe an Kenia entschieden. Diese sei sodann über die deutsche Botschaft in Nairobi abgewickelt worden. Deshalb lasse sich zumindest nicht feststellen, dass allein die EU die Entscheidungsgewalt innegehabt habe. Auch nach völkerrechtlichen Grundsätzen könne sich die Bundesrepublik aufgrund ihrer zentralen Rolle bei der Übergabe ihrer Verantwortung nicht entziehen. Die Übergabe sei im konkreten Fall rechtswidrig gewesen. Es habe bereits an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage gefehlt. Außerdem hätten die Haftbedingungen, die der Kläger in Kenia zu erwarten gehabt habe, den menschenrechtlichen Mindeststandards seinerzeit nicht genügt. Diese seien im März 2009 von ex­tremer Überbelegung, ungenießbarem Essen, unerträglicher Hitze, oft tagelang unterbrochener Wasserversorgung, völlig unzureichenden sanitären Anlagen und von Ungeziefer geprägt gewesen. Das sei der Beklagten durch verschiedene Botschaftsberichte hinlänglich bekannt gewesen. Auf die angesichts dessen erkennbar nicht sofort einzuhaltende Zusicherung der kenianischen Behörden, menschenwürdige Haftbedingungen zu gewährleisten, habe die Bundesrepublik sich deshalb nicht verlassen dürfen. Dass sich die Haftumstände später durch Hilfsmaßnahmen der EU und der UNO spürbar verbessert hätten, sei unerheblich.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Nichtzulassungsbe­schwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 4 A 2948/11 (VG Köln 25 K 4280/09)