Mit Urteil vom heutigen Tage hat das Oberverwaltungsgericht eine Wohnsitzauflage aufgehoben, mit welcher die Bezirksregierung Arnsberg einen irakischen Flüchtling verpflichtet hatte, in Kerpen seinen Wohnsitz beizubehalten. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, die zugrunde gelegte Vorschrift der nordrhein-westfälischen Aus­länder-Wohnsitzregelungsverordnung sei nicht mit Bundesrecht vereinbar.

Dem Kläger war im März 2017 der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden. Da­raufhin wurde er im April 2017 verpflichtet, seinen Wohnsitz für längstens drei Jahre in Kerpen zu nehmen. Dieser Stadt war er bereits im Rahmen seines Asylverfahrens zugewiesen. Das Verwaltungsgericht Köln hatte die Klage des Irakers gegen die Wohnsitzauflage abgewiesen. Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hatte er beim Oberverwaltungsgericht nun Erfolg.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 18. Senat ausgeführt: Es spreche zwar vieles dafür, dass § 12a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) Flüchtlinge - vorbehalt­lich bestimmter Ausnahmen - aus integrationspoliti­schen Gründen zulässigerweise ver­pflichte, ihren Wohnsitz in dem Bundesland beizubehalten, in das sie zur Durch­füh­rung ihres Asylverfahrens zugewiesen waren. Rechtswidrig und nichtig sei aber die landesrechtliche Bestimmung in § 5 Abs. 4 der Ausländer-Wohnsitzregelungsver-ordnung (AWoV), wonach Flüchtlinge der Gemeinde zugewie­sen werden sollen, in der sie zum Zeitpunkt der Zuweisung ihren tatsächlichen Wohnsitz unterhalten. § 12a Abs. 2 bis 4 AufenthG regelten die inhaltlichen Voraus­setzungen für eine Verpflich-tung zur Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort. Die Länder seien insoweit durch § 12a Abs. 9 AufenthG nicht zu inhaltlichen Vorgaben, sondern lediglich zu näheren Regelungen hinsichtlich der Organisation und des Ver­fahrens der Verpflichtung zur Wohnsitznahme ermächtigt. Diesen Ermächtigungs­rahmen habe das Land mit § 5 Abs. 4 AWoV überschritten, wonach Flüchtlinge der Gemeinde zugewiesen werden sollen, in der sie zum Zeitpunkt der Zuweisung ihren tatsächlichen Wohnsitz unter-halten. Die Bestimmung sei auch im Übrigen nicht mit Bundesrecht vereinbar. § 12a Abs. 3 AufenthG schreibe vor, dass die Wohnsitzauf­lage unter Berücksichtigung der örtlichen Lage am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erlassen werde. Dieses Erfordernis werde durch § 5 Abs. 4 AWoV ausgeblendet.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbe­schwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 18 A 256/18 (I. Instanz VG Köln 11 K 5686/17)

§ 12a Aufenthaltsgesetz - Wohnsitzregelung

(1) Zur Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bun­desrepublik Deutschland ist ein Ausländer, der als Asylberechtigter, Flüchtling im Sinne von § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiär Schutzberechtigter im Sinne von § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes anerkannt worden ist oder dem nach § 22, § 23 oder § 25 Absatz 3 erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, verpflichtet, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung oder Erteilung der Aufenthaltser­laubnis in dem Land seinen gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen, in das er zur Durchführung seines Asylverfahrens oder im Rahmen seines Aufnahmeverfah­rens zugewiesen worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer, sein Ehegatte, eingetragener Lebenspartner oder minderjähriges Kind eine sozial­versicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stun­den wöchentlich aufnimmt oder aufgenommen hat, durch die diese Person mindes­tens über ein Einkommen in Höhe des monatlichen durchschnittlichen Bedarfs nach den §§ 20 und 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für eine Einzelperson ver­fügt, oder eine Berufsausbildung aufnimmt oder aufgenommen hat oder in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis steht.

(2) Ein Ausländer, der der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegt und der in einer Aufnahmeeinrichtung oder anderen vorübergehenden Unterkunft wohnt, kann inner­halb von sechs Monaten nach Anerkennung oder Aufnahme längstens bis zum Ab­lauf der nach Absatz 1 geltenden Frist zu seiner Versorgung mit angemessenem Wohnraum verpflichtet werden, seinen Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu neh­men, wenn dies der Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhält­nisse der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegensteht. […]

(3) Zur Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bun­desrepublik Deutschland kann ein Ausländer, der der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegt, innerhalb von sechs Monaten nach Anerkennung oder erstmaliger Ertei­lung der Aufenthaltserlaubnis verpflichtet werden, längstens bis zum Ablauf der nach Absatz 1 geltenden Frist seinen Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen, wenn dadurch

1.  seine Versorgung mit angemessenem Wohnraum,

2.  sein Erwerb hinreichender mündlicher Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen und

3.  unter Berücksichtigung der örtlichen Lage am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit

erleichtert werden kann.

[…]

(9) Die Länder können im Hinblick auf Ausländer, die der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegen, hinsichtlich Organisation, Verfahren und angemessenen Wohnraums durch Rechtsverordnung der Landesregierung oder andere landesrechtliche Rege­lungen Näheres bestimmen zu

1.  der Verteilung innerhalb des Landes nach Absatz 2,

2.  dem Verfahren für Zuweisungen und Verpflichtungen nach den Absätzen 2 bis 4,

3.  den Anforderungen an den angemessenen Wohnraum im Sinne der Absätze 2, 3 Nummer 1 und von Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a sowie der Form seines Nachweises,

4.  der Art und Weise des Belegs einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach Absatz 1 Satz 2, eines den Lebensunterhalt sichernden Einkommens sowie eines Ausbildungs- oder Studienplatzes im Sinne der Absätze 1 und 5 Satz 1 Num­mer 1 Buchstabe a,

5.  der Verpflichtung zur Aufnahme durch die zum Wohnort bestimmte Gemeinde und zu dem Aufnahmeverfahren.

§ 5 Abs. 4 Ausländer-Wohnsitzregelungsverordnung (AWoV)

Ausländerinnen und Ausländer nach § 2, die zum Zeitpunkt ihrer Zuweisung in einer Gemeinde ihren tatsächlichen Wohnsitz unterhalten, dort nicht in einer Landesein­richtung untergebracht und nicht verpflichtet sind, in einem anderen Bundesland zu wohnen, sollen dieser Gemeinde zugewiesen werden.