Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat heute wie zuvor bereits das Verwaltungsgericht Arnsberg entschieden, dass die Geschäfte in Kreuztal am Sonntag, den 29.4.2018, nicht öffnen dürfen. Die Ladenöffnung sei offensichtlich nicht im öffentlichen Interesse gerechtfertigt.

Durch ordnungsbehördliche Verordnung vom 20.4.2018 hat die Stadt Kreuztal die Ladenöffnung für den kommenden Sonntag auf der Grundlage des Ende März 2018 in Kraft getretenen neuen Ladenöffnungsgesetzes im ganzen Stadtgebiet freigegeben. Die Ladenöffnung steigere die überörtliche Sichtbarkeit der Stadt als attraktiver und lebenswerter Standort. Darüber hinaus diene die Ladenöffnung dem Erhalt und der Stärkung eines vielfältigen stationären Einzelhandelsangebots, das sich insbesondere in der Konkurrenz zu digitalen Einkaufsmöglichkeiten behaupten müsse. Der Rat der Stadt hat sich damit auf im Gesetz bezeichnete öffentliche Interessen berufen und hielt es deshalb nicht für erforderlich, die Ladenöffnung räumlich zu beschränken. Auf einen Zusammenhang mit dem am Sonntag in der Innenstadt geplanten Frühlingsfest ist die Verordnung ausdrücklich nicht eigenständig gestützt. Das Verwaltungsgericht hat die Verordnung mit Beschluss vom 24.4.2018 für offensichtlich unwirksam und nichtig gehalten. Dagegen hat die Stadt am Nachmittag des 26.4.2018 Beschwerde eingelegt.

Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts hatte damit erstmals Gelegenheit, sich mit dem neuen Ladenöffnungsgesetz zu befassen. Er hat ausgeführt, die Neuregelung habe mit dem Erfordernis eines „öffentlichen Interesses“ an der Ladenöffnung dem verfassungsrechtlich verbürgten Sonn- und Feiertagsschutz und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Rechnung tragen wollen. In der Gesetzesbegründung werde ausdrücklich hervorgehoben, Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz bedürften eines rechtfertigenden Sachgrundes und sie müssten für die Öffentlichkeit klar erkennbar bleiben. Ob ein verfassungsrechtlich tragfähiger Sachgrund bestehe, sei von der örtlichen Ordnungsbehörde im Einzelfall zu prüfen und zu begründen. Durch die Neuregelung hätten die kommunalen Verordnungsgeber lediglich bei sonntäglichen Ladenöffnungen im Zusammenhang mit örtlichen Veranstaltungen von der Notwendigkeit einer Besucherprognose befreit werden und im Übrigen zusätzliche öffentliche Belange anführen können sollen. Weiterhin könnten aber nur gewichtige, im Einzelfall festzustellende und in einer Abwägung dem gebotenen Sonn- und Feiertagsschutz gegenüberzustellende öffentliche Interessen die ausnahmsweise Ladenöffnung an einem Sonn- oder Feiertag rechtfertigen. Die pauschale Behauptung, die beabsichtigte Ladenöffnung diene den im Gesetz beispielhaft aufgeführten Zielen oder liege sonst im öffentlichen Interesse, sei danach unzureichend. Insbesondere seien die im Ladenöffnungsgesetz definierten öffentlichen Interessen in ihrer Zielrichtung sehr weit gefasst, daher letztlich stets in allgemeiner Weise berührt und insoweit nicht geeignet, einen als solchen für die Öffentlichkeit erkennbaren Ausnahmecharakter der Ladenöffnung zu begründen. Vielmehr müssten die genannten Interessen nach den konkreten Verhältnissen in der betreffenden Kommune in dem für die Ladenöffnung vorgesehenen Bereich zumindest in besonderer Weise betroffen sein. Weiterhin müsse es sich jedenfalls um Belange handeln, die tatsächlich über das bloße Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche Erwerbsinteresse potenzieller Käufer an einer Ladenöffnung hinausgingen.

Diesen Anforderungen genüge die Freigabe der Ladenöffnung im gesamten Gebiet der Stadt Kreuztal offensichtlich nicht. Sie ergäben sich im Wesentlichen bereits aus der sehr ausführlichen Gesetzesbegründung zum neuen Ladenöffnungsgesetz, auf die die antragstellende Gewerkschaft ver.di die Stadt schon vor der Beschlussfassung hingewiesen habe. Es seien nicht ansatzweise öffentliche Belange mit Ausnahmecharakter und hinreichendem Gewicht aufgezeigt, die eine Ladenöffnung im gesamten Stadtgebiet rechtfertigen könnten. Mit Blick auf das stattfindende Frühlingsfest hätten besondere Gründe allenfalls im Bereich der Innenstadt vorgelegen. Dies hatte der Senat jedoch angesichts der vom Rat beschlossenen Loslösung der Verkaufsöffnung von der Veranstaltung nicht zu beurteilen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 4 B 571/18 (I. Instanz: VG Arnsberg 1 L 724/18)

§ 6 Ladenöffnungsgesetz NRW ‒ Weitere Verkaufssonntage und –feiertage

(1) An jährlich höchstens acht, nicht unmittelbar aufeinanderfolgenden Sonn- oder Feiertagen dürfen Verkaufsstellen im öffentlichen Interesse ab 13 Uhr bis zur Dauer von fünf Stunden geöffnet sein.

Ein öffentliches Interesse liegt insbesondere vor, wenn die Öffnung

1. im Zusammenhang mit örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen erfolgt,

2. dem Erhalt, der Stärkung oder der Entwicklung eines vielfältigen stationären Einzelhandelsangebot dient,

3. dem Erhalt, der Stärkung oder der Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche dient,

4. der Belebung der Innenstädte, Ortskerne, Stadt- oder Ortsteilzentren dient oder

5. die überörtliche Sichtbarkeit der jeweiligen Kommune als attraktiver und lebenswerter Standort insbesondere für den Tourismus und die Freizeitgestaltung, als Wohn- und Gewerbestandort sowie Standort von kulturellen und sportlichen Einrichtungen steigert.

Das Vorliegen eines Zusammenhangs im Sinne des Satzes 2 Nummer 1 wird vermutet, wenn die Ladenöffnung in räumlicher Nähe zur örtlichen Veranstaltung sowie am selben Tag erfolgt. Bei Werbemaßnahmen des Veranstalters müssen die jeweiligen Veranstaltungen gemäß Satz 2 Nr. 1 für die Öffnung der Verkaufsstellen im Vordergrund stehen.

Gesetzesbegründung hierzu: Landtags-Drucksache 17/1046, S. 3, 101 ff.