16.02.2024

Der Kreis Lippe muss über einen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrag zur Errichtung und zum Betrieb von 13 Windenergieanlagen im Umfeld des Truppen­übungsplatzes „Senne“ für sieben Anlagen neu entscheiden. Insofern ist seine bis­herige Ablehnung rechtswidrig, während sie für die übrigen sechs Anlagen nicht zu beanstanden ist. Das hat das Oberverwal­tungsgericht heute nach mündlicher Ver­handlung entschieden.

Die Klägerin begehrte ursprünglich die Erteilung immissionsschutzrechtlicher Geneh­migungen für die Errichtung und den Betrieb von 13 Windenergieanlagen auf der sogenannten Gauseköte im Kreis Lippe auf den Gebieten der Städte Detmold und Horn-Bad Meinberg sowie der Gemeinde Schlangen. Die geplanten Anlagenstand­orte befinden sich im Umkreis des den britischen Streitkräften überlassenen Trup­penübungsplat­zes „Senne“, davon sechs in­ner­halb des Luftbe­schrän­­kungsbe­reichs ED-R 112A, der über dem Truppen­übungsplatz einge­richtet ist und über dessen öst­liche Gren­zen ca. 2 km hinausgeht. Die im Genehmigungsverfahren beteiligte Bun­des­wehr (Beigelade­ne zu 1.) wandte nach einer ursprünglich po­sitiven Stellung­nah­me nach Rückspra­che mit dem britischen Strategic Command ein, dass sich die vor­gesehenen Stand­orte innerhalb von insbesondere für Militär­hubschrauber wichtigen Flugbeschrän­kungs­ge­bie­ten und innerhalb eines zwingen­den Ausflugkorridors von Militärflug­zeugen befänden. Damit bestehe ein nicht hin­nehmbares Risiko für die Sicherheit des (militärischen) Luftverkehrs. Die hierfür als Luftaufsichtsbehör­de in NRW zustän­dige Bezirksregierung Münster (Beigeladene zu 2.) verweigerte daraufhin die für die Genehmigungserteilung notwendige Zustim­mung.

Gegen die hierauf gestützte Ablehnungsentscheidung des Kreises Lippe wandte die Klägerin vor allem ein, die Verweigerung der luftverkehrsrechtlichen Zustimmung sei nicht fristgerecht erfolgt, so dass die Genehmigung als (fiktiv) erteilt zu gelten habe. Eine relevante Nutzung des Truppenübungsplatzes für die als gefährdet angese­henen Flugmanöver gebe es seit langem nicht mehr, sie sei jedenfalls nicht geneh­migt und deshalb rechtswidrig. Kurz vor der mündlichen Verhandlung hat die Kläge­rin ihre ursprünglich auf die Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigungserteilung gerichtete Klage darauf beschränkt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Ge­richts und Aufhebung der Ablehnungsentscheidung erneut über ihren Geneh­mi­gungs­antrag zu entscheiden.

Diesem Antrag hat der 22. Senat teilweise stattgegeben und zur Begründung im We­sentlichen ausgeführt: Die konkrete Gefährdung des militärischen Luftver­kehrs, die für die Verweigerung der luftverkehrsrechtlichen Zustim­mung und die Annahme dem Vorhaben entgegenstehender verteidigungspolitischer Belan­ge gleichermaßen erfor­derlich ist, lässt sich unter Berücksichtigung des den militärischen Dienststellen zukom­­menden verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraums nur für die sechs Anlagen fest­stel­len, die innerhalb des Flugbeschränkungsbereichs errichtet werden sollen. Dieser dient dazu, die zulässigen Aktivitäten auf dem Truppenübungsplatz, zu denen nach den nachvollziehbaren Erläuterungen insbesondere der britischen Streit­kräfte von jeher jedenfalls Übungen mit (tieffliegenden) Hubschraubern gehören, im Luft­raum ab­zusichern. Insofern haben die britische Armee und das britische Außen- und Verteidi­gungsministerium hinreichend deutlich gemacht, dass ein von Hinder­nis­sen wie Wind­energieanlagen freier und unbeschränkter Luftraum unabdingbar ist. Dahin­ter müssen die klimapolitischen Ziele, die der Gesetzgeber als den verteidi­gungspo­li­tischen Interessen gleichwertig definiert hat, im konkreten Einzelfall zu­rücktreten.

Demgegenüber ist eine relevante Gefährdung durch die außerhalb des Luftbe­schrän­kungsbereichs geplanten Anlagen nicht hinreichend plausibel gemacht worden. Aus den teils widersprüchlichen Angaben der beteiligten militärischen Stellen und den im Zusammenhang mit der Nutzung des Truppenübungsplatzes für den Senat verfüg­baren Quellen ergibt sich bereits nicht, dass der von der Bundeswehr ange­führte militärische Tiefflugkorridor zum Ausflug von bei Manövern eingesetzten Kampf­jets so noch als schützenswerter Belang existiert bzw. genutzt wird. Jedenfalls ist aber vor dem Hinter­grund der örtlichen Verhältnisse und der Eigenart der allenfalls betrof­fenen Übungen nicht plausibel, dass die Kampfjets im Bereich dieser Anla­genstand­orte noch so tief fliegen (müssen), dass sie die Windenergieanlagen nicht gefahrlos überqueren kön­nen. Dass es Manöver geben mag, bei denen dies nicht auszuschlie­ßen sein könnte, begründete in Anbetracht der im Tatsächlichen zugrunde zu legen­den Szenarien allenfalls eine nicht ausreichende hypothe­tische Ge­fahr. Zu­dem ist allgemein davon auszugehen, dass der mit Blick auf den Truppen­übungs­platz ein­gerichtete Flugbeschränkungsbereich so bemessen ist, dass er zur Gefah­renabwehr ausreicht.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen können die Beteiligten Nichtzulassungsbeschwerde erheben, über die das Bundesverwal­tungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen: 22 D 150/22.AK     

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