Der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW) hat heute die ersten Entscheidungen im Verfahrenskomplex betreffend die staatliche Parteienfinanzierung der F.D.P. getroffen. Er hat in drei parallelen Hauptsacheverfahren die Berufung gegen Urteile des Verwaltungsgerichts Köln zugelassen und in zwei Eilverfahren die zu Lasten der F.D.P. ergangenen vorläufigen Regelungen des Verwaltungsgerichts Köln aufgehoben.
Den Entscheidungen des OVG NW liegen Klage- und Eilverfahren des "Südschleswigschen Wählerverbandes" (SSW), der "Republikaner" und der "Grauen Graue Panther" zugrunde, in denen geltend gemacht wird, die F.D.P. habe von der Präsidentin des Deutschen Bundestages für das Jahr 1996 staatliche Mittel in Höhe von ca. 10 Millionen DM wegen nicht ordnungsgemäßer Antragstellung zu Unrecht erhalten; die Präsidentin des Deutschen Bundestages sei deshalb verpflichtet, diese Mittel unverzüglich von der F.D.P. zurückzufordern. Das Verwaltungsgericht Köln hat diesem Begehren in Urteilen und Beschlüssen vom 19. November 1997 entsprochen.
Das OVG NW hat den hiergegen gerichteten Anträgen der F.D.P. und der Präsidentin des Deutschen Bundestages stattgegeben; durch Beschlüsse vom 20. Februar 1998 hat es in den Hauptsacheverfahren die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen; in den Eilverfahren hat es entschieden, daß die F.D.P. bis zur abschließenden Klärung durch das OVG NW die für 1996 gewährten Mittel vorläufig nicht zurückzahlen muß.
Zur Begründung hat das OVG NW u.a. ausgeführt: In den Hauptsacheverfahren gehe es um bislang ober- und höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfragen zur staatlichen Parteienfinanzierung, deren Beantwortung im allgemeinen Interesse liege. Einer Klärung im Berufungsverfahren bedürfe zum einen die Frage, welche Anforderungen an den Antrag einer Partei auf Mittelbewilligung nach dem Parteiengesetz zu stellen seien; zu klären sei ferner insbesondere die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Partei gegen die Zahlung staatlicher Mittel an eine konkurrierende Partei vorgehen könne, ob also der SSW, die "Republikaner" und die "Grauen Graue Panther" berechtigt seien, den zu Gunsten der F.D.P. ergangenen Bescheid der Präsidentin des Deutschen Bundestages gerichtlich anzufechten.
Der Ausgang der Berufungsverfahren sei offen. In den Eilverfahren, in denen es lediglich um eine vorläufige Regelung gehe, habe der Senat deshalb eine vom Ausgang der Hauptsacheverfahren unabhängige Abwägung aller betroffenen öffentlichen und privaten Interessen vornehmen müssen. Dabei sei das Interesse der F.D.P., die bewilligten Mittel vorläufig nicht zurückzahlen zu müssen, höher zu bewerten gewesen als das Interesse der konkurrierenden Parteien an einer sofortigen Rückerstattung. Gehe das Hauptsacheverfahren zu Gunsten der F.D.P. aus, so erweise sich der vorläufige Entzug von Mitteln in Höhe von ca. 10 Mio. DM als nachhaltige Beeinträchtigung des verfassungsrechtlichen Gebots der Chancengleichheit. Die Auswirkungen wären gerade im Jahre 1998 mit Landtagswahlen und einer Bundestagswahl besonders einschneidend. Ende das Hauptsacheverfahren zu Lasten der F.D.P., so habe diese lediglich für längere Zeit mit ihr nicht zustehenden Mitteln wirtschaften können. Der damit für die konkurrierenden Parteien verbundene Nachteil wiege bei weitem nicht so schwer wie die Nachteile, die der F.D.P. durch eine vollständige Vorenthaltung von staatlichen Mitteln der Parteienfinanzierung entstünden. Eine vorläufige Rückzahlung sei im übrigen auch nicht deshalb erforderlich, um dem öffentlichen Interesse an der Sicherung einer eventuellen Rückzahlungsverpflichtung Rechnung zu tragen. Denn es bestehe die jederzeitige Möglichkeit der Aufrechnung mit später fällig werdenden Zahlungen an die F.D.P.
Die getroffenen Entscheidungen des OVG NW sind unanfechtbar.
Wann das OVG NW über die Berufungen entscheiden wird, steht noch nicht fest. Mit einer Entscheidung vor der Bundestagswahl am 27. September 1998 ist allerdings nicht zu rechnen.
5 A 5682/97, 5 A 5683/97, 5 A 5684/97, 5 B 128/98 und 5 B 130/98