1. Mit dem Beschluss der Justizminister vom Herbst 2003 hat der Prozess einer Zusammenlegung der Sozialgerichtsbarkeit mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit begonnen. Ein wichtiges Signal in diesem Prozess ist die Protokollerklärung der Bundesregierung im Hartz-Vermittlungsausschuss, die Sozialgerichtsbarkeit durch besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte ausüben zu lassen. Sie wirft im Einklang mit der Entwicklung in Europa ein Schlaglicht auf die Vorteile eines flexiblen und effizienten Ressourceneinsatzes in einer vereinigten Verwaltungsgerichtsbarkeit.

2. Die nordrhein-westfälische Verwaltungsgerichtsbarkeit tritt unter Berücksichtigung der durch die Arbeitsmarktgesetze geschaffenen neuen Rechtslage, die einen dringenden Handlungsbedarf auslöst, für eine rasche Zusammenlegung der Sozialgerichtsbarkeit mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein. Sie stellt sich der mit einer solchen Zusammenlegung verbundenen Herausforderung. Sie begrüßt das klare politische Signal für eine solche Zusammenlegung und ist entschlossen, den Prozess der Vereinigung nach Kräften mitzugestalten.

3. Das Ziel dieses Prozesses muss es sein, die Stärken der beiden Gerichtsbarkeiten zusammenzufassen und die knappen Ressourcen besser zu nutzen. So entsteht eine vereinigte Verwaltungsgerichtsbarkeit, die bürgernah, effizient und kostengünstig ist, weil sie die Verfahren "unter einem Dach" und nach einheitlichen Regeln verhandelt.

4. Zur Verwirklichung des angestrebten Ziels müssen schon in dem in der Protokollerklärung angekündigten Gesetzentwurf die Weichen für die Vereinigung gestellt werden. Hierbei ist die Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung für eine vereinigte Verwaltungsgerichtsbarkeit vorzusehen. Die VwGO hat sich bei der Bewältigung der vielgestaltigen Verfahren im gesamten Verwaltungsrecht einschließlich der sozialrechtlichen Materien hervorragend bewährt. Einzelnen Besonderheiten kann durch Spezialregelungen Rechnung getragen werden.

5. Der Bundesgesetzgeber sollte neben den bisherigen Regeln der VwGO, die in einem ersten Buch zusammengefasst werden, das SGG als zweites Buch in die VwGO integrieren. In die so neu gefasste VwGO wird insbesondere folgende Regelung aufgenommen:

(1) Soweit Landesrecht dies bestimmt, wird die Sozialgerichtsbarkeit durch besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte und des Oberverwaltungsgerichts ausgeübt. In diesem Fall gelten für das Verfahren vor diesen Spruchkörpern die Bestimmungen des zweiten Buchs.

(2) Bestimmt Landesrecht, dass die Sozialgerichtsbarkeit insgesamt durch besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte und des Oberverwaltungsgerichts ausgeübt wird, gelten die gerichtsverfassungsrechtlichen Regelungen des ersten Buchs.

6. Der Landesgesetzgeber sollte die Weichen für die Vereinigung der Sozialgerichtsbarkeit mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit so rechtzeitig stellen, dass die ersten Maßnahmen bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Arbeitsmarktgesetze am 1. Januar 2005 greifen.

Er sollte insbesondere sicherstellen, dass ab dem 1. Januar 2005 die Verwaltungsgerichte über besondere Spruchkörper weiterhin für die sozialhilferechtlichen Verfahren nach dem SGB XII zuständig sind.

Dadurch werden - im Sinne der Protokollerklärung der Bundesregierung - die bei den Verwaltungsgerichten in Jahrzehnten gewachsenen Kompetenzen und vorhandenen Ressourcen zur Bearbeitung sozialhilferechtlicher Streitigkeiten ohne Unterbrechung bestmöglich genutzt.

Weiterhin sollte der Landesgesetzgeber schon jetzt regeln, dass nach einem angemessenen Übergangszeitraum die gesamte Sozialgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichte ausgeübt wird.

7. Zu den Maßnahmen unter 5. und 6. erarbeitet die Verwaltungsgerichtsbarkeit NRW derzeit detaillierte Vorschläge, die sie den zuständigen Stellen in Kürze unterbreiten wird.

Dr. Michael Bertrams