Der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 07.02.2006 die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes abgelehnt, den ein Stabsunteroffizier (Antragsteller) gegen seine sofortige Entlassung aus der Bundeswehr (Antragsgegnerin) beantragt hatte. Dem Antragsteller wird (auch in dem inzwischen vom Landgericht Münster eröffneten Strafverfahren) vorgeworfen, im August 2004 im Rahmen der Grundausbildung Rekruten bei der Ausbildung "Geiselnahme/Geiselhaft" Misshandlungen und Körperverletzungen begangen zu haben. So soll er anlässlich eines simulierten Verhörs einen Rekruten geohrfeigt und andere auf eine Sportmatte geworfene Rekruten gegen den Hinterkopf bzw. in die Magengegend getreten haben. Deshalb war der Antragsteller mit Verfügung vom 21.02.2005 fristlos aus der Antragsgegnerin entlassen worden. Dagegen erhob der Antragsteller Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und beantragte zugleich, die aufschiebende Wirkung dieser Klage wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht gab diesem Antrag im September 2005 statt. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, der das Oberverwaltungsgericht nunmehr mit dem o. g. Beschluss stattgegeben hat. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Entlassung sei aller Voraussicht nach gerechtfertigt. Nach dem vorliegenden Erkenntnisstand habe der Antragsteller seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt und sein Verbleiben im Dienst würde die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden. Dass der Antragsteller den Rahmen der vorgegebenen Ausbildungselemente durch Schlagen, Treten und Ohrfeigen von Untergebenen exzesshaft überschritten habe, sei durch konkrete und detaillierte Zeugenaussagen anderer Ausbilder und der betroffenen Rekruten belegt. Das Ausbildungselement "Geiselnahme/Geiselhaft" habe keinem "dienstlichen Zweck" gedient. Bezogen auf Rekruten in der Grundausbildung sei von vornherein klar, dass diese zu Auslandseinsätzen nicht herangezogen werden, einer Geiselnahme-Situation also keinesfalls ausgesetzt sein können. Die gesamte Übung sei von den Vorgesetzten deshalb auch eher als willkommene Abwechselung denn als ernsthafte Ausbildung betrachtet worden - eine Sichtweise, die nicht von allen betroffenen Rekruten geteilt worden sei.

Auch eine rein interessenbezogene Abwägung falle zum Nachteil des Antragstellers aus. Es bestehe ein gewichtiges öffentliches Interesse der Antragsgegnerin, mit sofortigen Reaktionen gegen Soldaten vorzugehen, die einem ernstzunehmenden Verdacht der Kameraden- bzw. Untergebenenmisshandlung ausgesetzt seien. Demgegenüber seien die Folgen einer sofortigen Vollziehung für den Antragsteller deutlich geringer zu bewerten. Sollten sich die Vorwürfe im Hauptsacheverfahren als unberechtigt, die Entlassung also als rechtswidrig erweisen, so würde der Antragsteller insbesondere wirtschaftlich so gestellt, als wäre die Entlassung nicht verfügt worden.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Die Entscheidung in dem noch beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen anhängigen Hauptsacheverfahren steht allerdings noch aus.

Az.: 1 B 1659/05