Der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat am 15. und 16. November 2011 über die Klage des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz e.V.) gegen den von der Bezirksregierung Arnsberg am 6. Mai 2008 erlassenen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid und die erste Teilgenehmigung für ein Steinkohlekraftwerk in Lünen verhandelt.

Das von der Trianel Power Kohlekraftwerk Lünen GmbH &Co. KG geplante Kohlekraftwerk soll ab 2012/2013 bei einer Feuerungswärmeleistung von 1.705 MW und einer elektrischen Nettoleistung von 750 MW Strom erzeugen. Das Rauchgas soll nach Reinigung in einer mehrstufigen Rauchgasentschwefelungsanlage (REA) über einen 160 m hohen Kühlturm abgeleitet werden. Die Abwässer aus der Kühlturmabflut und der REA sollen ca. 1 km flussaufwärts in die Lippe eingeleitet werden.

Der BUND macht geltend, dass der Bescheid an Verfahrensmängeln leide und darüber hinaus gegen immissionsschutzrechtliche und naturschutzrechtliche Vorgaben verstoße. Da sich im Umfeld der Anlage mehrere Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (sog. Flora-Fauna-Habitat-Gebiete), nämlich die Lippe einschließlich der Lippeauen und ein größeres Waldgebiet bei Cappenberg, befänden, hätte vor Erteilung des Vorbescheids eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung durchgeführt werden müssen, was Trianel und die Bezirksregierung aber zunächst nicht als erforderlich ansahen.

Der Senat hatte in dieser Sache bereits am 5. März 2009 verhandelt und die Auffassung vertreten, dass die naturschutzrechtlichen Bedenken des BUND begründet sein könnten. Wegen Zweifeln an der Rügebefugnis des Klägers, die sich nach der deutschen Rechtslage insbesondere nicht auf Vorschriften des Naturschutzes erstreckt, hatte er dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob die Beschränkungen, denen das Klagerecht der Umweltorganisationen nach dem deutschen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz unterliegen, angesichts des hohen Stellenwerts, den das Gemeinschaftsrecht dem Umweltschutz beimisst, mit den Vorgaben des Europarechts vereinbar ist. Der EuGH hat durch Urteil vom 12. Mai 2011 entschieden: Umweltverbände können geltend machen, dass eine Genehmigung für ein Vorhaben, das die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erfordert, gegen Umweltvorschriften verstößt, die auf dem Recht der Europäischen Union beruhen; dazu zählen insbesondere die Vorschriften der FFH-Richtlinie.

Während der Dauer des Verfahrens vor dem EuGH hat Trianel eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung erstellen lassen, die Anfang dieses Jahres Gegenstand einer Öffentlichkeitsbeteiligung war.

Im gerichtlichen Verfahren hat Trianel verbindliche Erklärungen zur Reduzierung der Emissionsfracht (Schwefeldioxid und Stickstoffoxide) sowie zur Menge und zum Quecksilbergehalt des Abwassers abgegeben. Bereits vor der mündlichen Verhandlung hat die Bezirksregierung auf rechtlichen Hinweis des Senats den Vorbescheid aufgehoben, soweit damit die naturschutzrechtliche Unbedenklichkeit der - in einem getrennten wasserrechtlichen Verfahren zu prüfenden - Einleitung der Kühlturm- und REA-Abwässer in die Lippe festgestellt worden war. Die FFH-Verträglichkeit der Abwassereinleitung hatte das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) – jedenfalls in dem ursprünglich geplanten Umfang – als naturschutzrechtlich bedenklich bewertet. In der mündlichen Verhandlung verpflichtete die Behörde sich ferner zum Erlass einer Nebenbestimmung, wonach bestimmte Schwermetalle im Rauchgasstrom regelmäßig zu messen sind.

In der bislang zweitägigen mündlichen Verhandlung hat der Senat die vom BUND und von Trianel gestellten Gutachter sowie fachkundige Mitarbeiter des LANUV zu Fragen des Immissionsschutzes und zur Verträglichkeit der Umweltauswirkungen mit den Erhaltungszielen der betroffenen FFH-Gebiete angehört.

Die mündliche Verhandlung wird am 1. Dezember 2011, 10.00 Uhr, im Sitzungssaal I des Oberverwaltungsgerichts fortgesetzt.

Aktenzeichen: 8 D 58/08.AK