Positive Gesamtentwicklung 2015

Eine positive Bilanz hat die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts, Dr. Ricarda Brandts, beim heutigen Jahrespressegespräch für das Jahr 2015 gezogen. Die sieben Verwaltungsgerichte in Nordrhein-Westfalen haben 2015 mehr als 53.500 Verfahren erledigt. Der Bestand der anhängigen Fälle konnte reduziert werden, obwohl rund 4.000 neue Verfahren mehr als im Vorjahr eingingen (2015: 52.350; 2014: 48.359). Die Dauer von Hauptsacheverfahren verringerte sich weiter auf durchschnittlich 8,8 Monate, im vorläufigen Rechtsschutz entschieden die Verwaltungsgerichte wie im Vorjahr nach etwa 1,4 Monaten. Auch beim Oberverwaltungsgericht stieg die Zahl der eingegangenen Verfahren (2015: 6.424; 2014: 6.157). Die Verfahrenslaufzeiten blieben im Wesentlichen auf dem Niveau des Vorjahres.

Zunahme von Asylverfahren um 37 %

Die größte Herausforderung für die sieben Verwaltungsgerichte war die erneute Zunahme der asylrechtlichen Streitfälle: 2015 gingen insgesamt 21.219 Asylverfahren ein, 2014 waren es 15.535. "Die Zahl der Asylverfahren ist im Jahre 2015 gegenüber dem Vorjahr um rund 37% gewachsen. Gegenüber 2013 hat sie sich mehr als verdoppelt, gegenüber 2011 in etwa vervierfacht", erklärte Präsidentin Dr. Brandts. Etwa 41 % aller im letzten Jahr eingegangenen Verfahren waren dem Asylrecht zuzuordnen, 2014 waren es noch 32 %. "Gleichwohl konnten wir dank personeller Verstärkung, interner organisatorischer Maßnahmen und aufgrund des engagierten Einsatzes aller Angehörigen unserer Gerichtsbarkeit auch 2015 effektiven Rechtsschutz gewähren", so Dr. Brandts. Asyl-Eilrechtsschutz wurde in durchschnittlich einem Monat gewährt. Asylhauptsacheverfahren, die in der Regel eine mündliche Verhandlung erfordern, wurden durchschnittlich nach ca. 7,6 Monaten abgeschlossen. Die meisten Rechtsschutzsuchenden kamen 2015 aus Albanien (17 %), Serbien und Kosovo (jeweils 11 %) sowie Syrien (10 %). Auch beim Oberverwaltungsgericht nahmen die Asylverfahren deutlich zu, sie stiegen um 51 % (2015: 936, 2014: 617).

Weniger Dublin-Verfahren

Die Zahl der Dublin-Verfahren ist deutlich rückläufig. Die Dublin-Verordnungen der Europäischen Union bestimmen im Grundsatz, dass für das Asylverfahren der Mitgliedstaat zuständig ist, über den der Ausländer in die EU eingereist ist. Bis November 2015 waren durchschnittlich 30 % der neu eingehenden Asylverfahren solche, in denen die Asylbewerber sich gegen die Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wandten, nicht Deutschland, sondern ein anderes EU-Land sei für das Asylverfahren zuständig. Im Dezember 2015 betrug der Anteil lediglich 19 %, im Januar 2016 nur noch 15 %.

Prognose für 2016: Weiterer Anstieg der Asylverfahren

Im laufenden Jahr ist erneut mit einem erheblichen Anstieg der asylrechtlichen Streitfälle zu rechnen. Genaue Prognosen sind schwierig. Der Umfang der Arbeit der Verwaltungsgerichte im Asylrecht hängt von der Anzahl der vom BAMF getroffenen Entscheidungen ab, mit denen Asylanträge abgelehnt werden. Legt man nur die rund 60.000 unbearbeiteten Verfahren zugrunde, die bezogen auf Nordrhein-Westfalen nach Angaben des BAMF dort zum 31. Dezember 2015 noch anhängig waren, kämen nach der bisherigen Rechtsmittelquote von etwa 40 % auf die nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte in diesem Jahr allein rund 24.000 neue Verfahren zu – schon mehr als im vergangenen Jahr insgesamt eingingen. Zu berücksichtigen sind ferner künftige Asylanträge von im Jahr 2015 bereits eingereisten, aber bisher noch nicht registrierten Ausländern, deren Zahl das BAMF bundesweit auf 400.000 schätzt und von denen ca. 21 %, also 84.000, in Nordrhein-Westfalen gestellt werden dürften. Hinzu kommen die Anträge der im laufenden Jahr ankommenden Asylsuchenden. Dr. Brandts bleibt gleichwohl zuversichtlich: "Im Landeshaushalt sind für 2016 bereits weitere 37 Richterstellen sowie 39 Stellen im nichtrichterlichen Dienst eingestellt. Auch haben wir organisatorische Maßnahmen ergriffen, die eine effiziente Bearbeitung der Verfahren ermöglichen. Ziel ist, den Rechtsschutzsuchenden möglichst schnell Klarheit über ihre Bleiberechte zu verschaffen."