Das Oberverwaltungsgerichts hat heute entschieden, dass die Eltern der auf der Fahrt der "Gorch Fock" über Bord gegangenen und später tot gebor­genen Jenny Böken wegen deren Todes keine Entschädi­gung von der Bundesre­publik Deutsch­land verlangen können.

Jenny Böken wurde nach ihrem Abitur im Sommer 2008 als Anwärterin für die Lauf­bahn der Offiziere des Sanitätsdienstes als Soldatin auf Zeit bei der Bundeswehr eingestellt. Sie wollte Medizin studieren und anschließend als Ärztin im Dienste der Bundeswehr tätig sein. Zur Ausbildung gehörte ein mehrwöchiger Aufenthalt auf der "Gorch Fock", dem Segelschulschiff der Bundeswehr. In der Nacht vom 3. auf den 4. September 2008 nahm Jenny Böken den Wachdienst vorn auf dem Oberdeck des Schiffes, der sog. Back, wahr. Kurz vor Mitternacht fiel sie an der Steuerbordseite des Schiffes über Bord, eingeleitete Rettungsaktionen verliefen erfolglos.

Mit dem Berufungsurteil hat der 1. Senat die vorhergehende Entscheidung des Ver­waltungsgerichts Aachen vom 22. Oktober 2014 im Ergebnis bestätigt. Zur Begrün­dung hat der Vorsitzende des Senats im Wesent­lichen Fol­gendes ausgeführt: Die einmalige Entschädigung nach § 63 a Soldatenver­sorgungs­gesetz setze voraus, dass ein Soldat sich bei Ausübung einer Diensthand­lung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr ausgesetzt habe und in­folge dieser Gefährdung einen Unfall erlitten habe, an dessen Folgen er verstorben sei. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Der von Jenny Böken wahrgenommene Wach­dienst als Posten Aus­guck sei nach den in der Unglücksnacht gegebenen ob­jektiven Um­ständen nicht lebensgefährlich gewesen. Insoweit sei darauf abzustellen, welche Tätigkeiten die vorzunehmende Diensthandlung erfordere. Auf Grund der Angaben vom Senat ver­nommener Zeugen wie auch des Inhalts der Akten stehe fest, dass es zur Dienstverrichtung insbesondere nicht erforderlich gewesen sei, an die Schiffsre­ling heranzu­treten oder sich gar darüber zu beugen. Dies gelte vor allem für den Bereich der von dem Wachposten zu kontrollierenden Positionslampen wie auch für den Be­reich der sog. Königspoller im Bugbereich, an dem die Bordwand besonders niedrig ist. Eine besondere Sicherung des Postens Ausguck gegen ein Überbordgehen oder das Tragen einer Schwimmweste seien während des Wach­dienstes von Jenny Böken entsprechend den Marinedienstvorschriften nicht erforder­lich gewesen. Ein Über­bordgehen des Postens Ausguck sei in der maßgeblichen Nacht und bis zum Zeit­punkt des Überbordgehens nicht zu befürchten gewesen, da das ca. 80 m lange Schiff angesichts der konkreten Umstände sehr ruhig und stabil in der See gelegen habe: Das Schiff habe sich, einen achterlichen steifen Wind nut­zend, bei einer Wel­lenhöhe von etwa 1,5 Metern auf einem gleichbleibenden Kurs befunden. Dies alles habe lediglich zu einer leichten Krängung – also zu einer seit­lichen Neigung – des Schiffes um etwa 3 bis 5 Grad nach Backbord geführt, nicht aber zu einem "Stamp­fen" (Schaukeln des Schiffes um seine Querachse) oder "Rol­len" (Schaukeln des Schiffes um seine Längsachse).

Auf subjektive, nur in der Person von Jenny Böken liegende Umstände, insbeson­dere etwaige Erkrankungen komme es für die Beurteilung, ob eine besondere Lebensgefahr vorgelegen habe, nicht an, weil insofern nur auf die Diensthandlung abzustellen sei. Dafür sprächen Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Vor­schrift. Selbst wenn solche Umstände grundsätzlich aber zu berücksichtigen sein sollten, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn im konkreten Fall hätten solche Umstände nicht vorgelegen. Insbesondere habe sich nicht feststellen lassen, dass Jenny Böken auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen generell nicht bord­dienstverwendungsfähig gewesen sei und deshalb auf der "Gorch Fock" überhaupt keinen Dienst hätte verrichten dürfen. Bei der Einstellungsuntersuchung Anfang Juli 2008 zu Tage getretene gesundheitliche Bedenken im gynäkologischen Bereich hätten nach Rücksprache mit dem behandelnden Gynäkologen am Heimatort nach­vollziehbar ausgeräumt werden können. Etwaige andere gesundheitliche Einschrän­kungen beträfen möglicherweise die Verwendung von Jenny Böken im Sanitätsdienst der Ma­rine, nicht jedoch ihre allgemeine Borddienstverwendungsfähigkeit. Dies sei aber unerheblich, da sich mit dem Unglück ein dem allgemeinen Borddienst und nicht spezifisch dem Sani­tätsdienst zuzurechnendes Risiko realisiert habe. Auch habe sich nicht feststellen lassen, dass ihr häufiges Einschlafen Krankheitswert gehabt und deshalb zur Dienstunfähig­keit geführt habe. Am Unglückstag selbst habe sie auch nicht mehr wie noch an den beiden Tagen zuvor über Unterleibsschmerzen geklagt. Vielmehr habe sie den Wachposten Ausguck freiwillig im Tausch mit einer erkrankten Kameradin übernom­men.

Darüber hinaus könne die Klage aber auch dann keinen Erfolg haben, wenn eine be­sondere Lebensgefahr auf Grund objektiver oder subjektiver Umstände anzunehmen sein sollte. Das Unglück sei von niemandem beobachtet worden. Es hätten sich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Jenny Böken gerade infolge von Umständen, die ggf. eine besondere Lebensgefahr begründeten, über Bord gegan­gen sei. Es sei möglich und nicht lediglich entfernt anzunehmen, dass sie infolge anderer Umstände verunglückt sei. Insoweit sei insbesondere auch eigene Unvor­sichtigkeit z.B. im Bereich der Königspoller oder der Positionslampen in Betracht zu ziehen. Die Unaufklärbarkeit des Kausalzusammenhangs gehe zu Lasten der an­spruchstellenden Kläger.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbe­schwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen 1 A 2359/14 (1. Instanz: VG Aachen 1 K 2995/13)