Der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen hat den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Luxemburg zur Klärung der Frage angerufen, ob Umweltorganisationen aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben in einem Klageverfahren auch die Verletzung der Vorschriften des Umweltrechts, die allein dem Schutz der Allgemeinheit oder der Natur dienen, rügen können müssen.

Die Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Landesverband NRW e. V., richtet sich gegen den von der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg am 6. Mai 2008 erlassenen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid und die erste Teilgenehmigung für das Steinkohlekraftwerk in Lünen. Auf der Basis von Steinkohle soll dort ab 2012 bei einer Feuerungswärmeleistung von bis zu 1.705 MW und einer elektrischen Nettoleistung von 750 MW Strom erzeugt werden. Das Rauchgas soll nach Reinigung in einer Rauchgasbehandlungsanlage über einen Kühlturm abgeleitet werden. Das Abwasser aus der Rauchgasbehandlungsanlage und dem Kühlturm soll in die Lippe eingeleitet werden. Im Umfeld der Anlage befinden sich fünf unter Schutz gestellte Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (sog. Flora-Fauna-Habitat-Gebiete). Die Einleitstelle für das Abwasser liegt innerhalb eines solchen Schutzgebiets.

Der Kläger macht geltend, dass die Bescheide unter anderem gegen den immissionsschutzrechtlichen Vorsorgegrundsatz und naturschutzrechtliche Vorgaben verstoßen. Dieses Vorbringen ist nach Ansicht des Senats nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Nach der deutschen Rechtslage ist der Kläger mit diesen Rügen allerdings ausgeschlossen, weil diese Vorschriften nicht dem Schutz individueller Rechtsgüter wie der Gesundheit oder dem Eigentum der Nachbarn des Vorhabens, sondern dem Schutz der Allgemeinheit bzw. der Natur dienen. Daher unterbleibt auch eine gerichtliche Prüfung dieser Vorschriften. Der Senat legt dem EuGH die Frage vor, ob die Beschränkungen, denen das Klagerecht der Umweltorganisationen nach dem deutschen Recht unterliegt, angesichts des hohen Stellenwerts, den das Gemeinschaftsrecht dem Umweltschutz und seinem effektiven Vollzug zumisst, gemeinschaftskonform ist.

Bis zur Entscheidung des EuGH ist das Klageverfahren des BUND vor dem Oberverwaltungsgericht ausgesetzt.

In einem weiteren Verfahren brauchte das erstinstanzlich zuständige Oberverwaltungsgericht über die Klage eines in Werne ansässigen Anwohners gegen den Vorbescheid und die erste Teilgenehmigung nicht mehr zu entscheiden, nachdem der Kläger seine Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat.

Aktenzeichen: 8 D 58/08.AK