Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat zu Unrecht die Zulassungen für pflanzliche, angstlösende Arzneimittel mit dem Wirkstoff Kava-Kava widerrufen. Das hat der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts heute in acht Verfahren für insgesamt 15 Arzneimittel entschieden.
Kava-Kava (Rauschpfeffer) ist ein Strauch, der vor allem auf Inseln des südlichen Pazifiks vorkommt und dessen Wurzelstock dort traditionell als wässriger Aufguss konsumiert wird. In Deutschland waren Kava-Kava-haltige Arzneimittel in Kapsel-, Tabletten- oder Tropfenform zur Behandlung von nervösen Angst-, Spannungs- und Unruhezuständen auf dem Markt. Nachdem das Auftreten von Leberschädigungen beobachtet worden war, begann 2001 eine jahrelange Auseinandersetzung zwischen den Herstellern und der Behörde über Nutzen und Risiken der Arzneimittel. Im Dezember 2007 widerrief die Behörde (erneut) die Zulassungen Kava-Kava-haltiger und Kavain-haltiger Arzneimittel. Es bestehe der begründete Verdacht schädlicher Wirkungen. Das Risiko zum Teil schwerer Leberschäden bis hin zu Lebertransplantationen gehe auch deshalb über ein vertretbares Maß hinaus, da die therapeutische Wirksamkeit nicht mit neueren Untersuchungen belegt sei. Auf Klagen der pharmazeutischen Hersteller hob das Verwaltungsgericht Köln im Mai 2014 den Widerrufsbescheid mit der Begründung auf, das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitigen Kava-Kava-haltigen Arzneimittel sei nicht ungünstig.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Bundesrepublik Deutschland zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für einen Widerruf seien nicht erfüllt. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis sei nicht ungünstig, wenn bestimmte Änderungen in den Zulassungen vorgenommen würden, um die Risiken bestmöglich einzudämmen. Die therapeutische Wirksamkeit der Arzneimittel sei zu bejahen. Für deren Nutzen spreche auch, dass es sich bei Angststörungen um eine ernsthafte, weitverbreitete und behandlungsbedürftige psychische Erkrankung handele. Es bestünden zwar Anwendungsrisiken in Form hepatotoxischer (leberschädigender) Ereignisse. Die Zahl gemeldeter Fälle im Verhältnis zum Anwendungsvolumen der Arzneimittel sei aber gering und das Ursache-Wirkungs-Verhältnis vielfach fraglich. Entscheidend sei, dass die lebertoxischen Risiken bei Beachtung bestimmter Maßnahmen auf ein vertretbares Maß reduziert werden könnten. Hierzu zählten die seit 2002 bestehende ärztliche Verschreibungspflicht, die Begrenzung der maximalen Tagesdosis und der Anwendungsdauer, die regelmäßige Bestimmung der Leberwerte und die Vermeidung von Alkohol sowie einer begleitenden Medikation insbesondere mit Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln. Soweit die bisher umgesetzten Maßnahmen dem nicht genügten, komme kein Widerruf in Betracht, sondern müsse die Zulassung angepasst werden.
Der 13. Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Aktenzeichen: 13 A 1371/14 (VG Köln 7 K 6969/11) u. a.
Weitere Informationen finden sie in der folgenden Audiodatei, die Sie direkt abspielen oder herunterladen können. Die mp3-Datei dürfen auch Hörfunkredaktionen ganz oder in Teilen verwenden. Sprecherin: Dr. Gudrun Dahme, stellvertretende Pressesprecherin des Oberverwaltungsgerichts