Rechtsfrieden durch Vergleiche

Die Verwaltungsgerichte und das Oberverwaltungsgericht haben im Jahr 2019 eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen, die nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Öf­fentlichkeit hohe Bedeutung hatten. Das erklärte die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts Dr. Ricarda Brandts beim heutigen Jah­respressege­spräch und hob das grundsätzliche Ziel hervor, mit dem Abschluss eines gerichtli­chen Verfahrens Rechtsfrieden herzustellen. Dies sei bei den Streitigkeiten um die Luftreinhaltepläne verschiedener nordrhein-westfälischer Städte besonders gut gelungen. Zunächst erfolgte eine gründliche und transparente Aufarbeitung der vielfältigen komplexen Fragen, auch mithilfe einer zweitägigen Sachverständigenan­hörung im Mai 2019, dann ergingen im Juli und September 2019 zwei grundlegende Urteile zu den Städten Aachen und Köln. „Dem 8. Senat des Oberverwaltungsge­richts ist es so gelungen, eine breite Akzeptanz seiner Rechtsprechung bei allen Beteiligten zu erzielen und den Boden für die unstreitige und nachhaltige Beilegung weiterer Streitverfahren zu bereiten“, erklärte Präsidentin Dr. Brandts vor Journalisten. Zu Essen, Dortmund und Bonn haben die Deutsche Umwelthilfe, das Land Nordrhein-Westfalen und die betroffenen Städte bereits gerichtliche Vergleiche geschlossen. Zu sieben weiteren nordrhein-westfälischen Städten haben in der letzten Woche konstruktive Erörterungstermine mit den Beteiligten stattgefunden, deren Ergebnisse das Oberverwaltungsgericht am 28. Februar 2020 bekannt gegeben wird. Über den Luftreinhalteplan für Wuppertal werden die Gespräche am 10. März 2020 fortgeführt.

 Altverfahren belasten Verwaltungsgerichte

Jeder Rechtsschutzsuchende hat ein berechtigtes Interesse an einer raschen Klärung seines Anliegens. „Die derzeitige Dauer der verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann uns nicht zufriedenstellen. Trotz einer erheblichen Personalverstärkung und hoher Anstrengungen konnte es nicht gelingen, die außerordentlich hohe Zahl der in den Jahren 2016 und 2017 eingegangenen Asylverfahren innerhalb des bisher üblichen Zeitraums abzuarbeiten“, so Präsidentin Dr. Brandts. Wie vor einem Jahr prognostiziert, hat sich die Verfahrensdauer der erledigten Verfahren bei den sieben Verwaltungsgerichten weiter verlängert, obwohl die Eingänge schon seit 2018 rückläufig sind. Bei den Verwaltungsgerichten gingen im Jahr 2019 rund 52.900 Verfahren ein (2018: 61.700, 2017: 110.200; 2016: 80.800), darunter 22.700 im Asylbereich (2018: 30.000, 2017: 79.100; 2016: 51.400). Diese Neuzugänge lagen ungefähr auf dem Niveau des Jahres 2015. Die anhängigen Verfahren konnten um ca. 15 % auf ca. 60.200 reduziert werden, im Asylrecht sogar um 24 % auf 33.600. „Die große Herausforderung bleibt, den hohen Altbestand an Verfahren weiter zu reduzieren“, betonte Präsidentin Dr. Brandts. Klageverfahren, Asylverfahren eingerechnet, haben 2019 bei den Verwaltungsgerichten durchschnittlich 15 Monate gedauert, 2018 dauerten sie ein Jahr, 2017 waren es nur 8 Monate. Diese erhebliche Erhöhung beruht maßgeblich auf der gegenüber dem Vorjahr um 50 % angestiegenen Bearbeitungszeit im Asylbereich. „Hier werden zunehmend die älteren Verfahren abgearbeitet. Viele davon bringen erhöhte, weil komplexere Anforderungen mit sich“, erklärte Präsidentin Dr. Brandts. Betrug die durchschnittliche Laufzeit der asylrechtlichen Hauptsacheverfahren 2017 noch ca. 7 Monate und 2018 dann 12 Monate, ist sie im letzten Jahr auf 17,5 Monate angestiegen. In den Hauptsacheverfahren der Stammmaterien, zu denen etwa das Baurecht, das Polizei- und Ordnungsrecht und das Abgabenrecht gehören, stieg die durchschnittliche Laufzeit demgegenüber von 9,9 Monaten in 2017 über 10,7 in 2018 auf 12 Monate in 2019.

Leicht gesunkene Eingänge beim Oberverwaltungsgericht

Während beim Oberverwaltungsgericht 2018 noch mehr als doppelt so viele Asylverfahren eingingen wie im Vorjahr (2018: 3.600; 2017: 1.700), sind die Eingänge im Asylbereich 2019 um etwa 7 % auf etwa 3.400 Verfahren gesunken. Trotz um 23 % gestiegener Erledigungen im Asylbereich wuchs der Bestand unerledigter Fälle hier von 1.800 auf 2.100 am Jahresende 2019 an. Inzwischen ist ein zusätzlicher - der 21. - Senat eingerichtet worden. Insgesamt (Stammmaterien und Asylverfahren) betrug der Rückgang der Eingänge 4 %. In den Stammmaterien (Hauptsacheverfahren) blieben die Verfahrenslaufzeiten mit durchschnittlich 12 Monaten unverändert, bei den Hauptsacheverfahren im Asylbereich stiegen sie von 3,8 auf 5,8 Monate an.

Gerichtliche Entscheidungsfindung im Versammlungsrecht

Demonstrationen bringen unterschiedliches Konfliktpotential mit sich. Zum einen führen sie vielfach zu Sperrungen von Straßen und Plätzen. Zum anderen rufen sie nicht selten wegen des politischen Hintergrundes eines Veranstalters und entsprechender Versammlungsthemen heftigen Protest hervor. Gerichtliche Entscheidungen im Versammlungsrecht erfahren deshalb regelmäßig öffentliche Aufmerksamkeit, teilweise verbunden mit Kritik und Unverständnis. Vor diesem Hintergrund skizzierte der Vorsitzende des 15. Senats, Vizepräsident Sebastian Beimesche, die Maßstäbe für die gerichtliche Entscheidungsfindung. Er verwies darauf, dass die Versammlungsfreiheit ein hohes verfassungsrechtliches Gut sei. Sie garantiere die kollektive Meinungskundgabe; Eingriffe seien deshalb auch an der Meinungsfreiheit zu messen. Dazu erklärte Präsidentin Dr. Brandts, dass die Verwaltungsgerichte keine Versammlungen und bestimmten Äußerungen erlauben oder verbieten, sondern die von der Versammlungsbehörde getroffene Entscheidung überprüfen und so der Versammlungsfreiheit erforderlichenfalls Geltung verschaffen. „Wir berücksichtigen dabei nicht, wer eine Meinung kundtut. Ebenso wenig prüfen wir den gesellschaftlichen und politischen Wert oder Unwert einer Äußerung, es sei denn, sie ist strafbar“, so Präsidentin Dr. Brandts. Grenzen der Meinungsfreiheit und damit auch von Meinungsäußerungen bei Versammlungen seien grundsätzlich die Strafgesetze.