Der Rat der Stadt Gladbeck hat die Rechte der Ratsfraktion der Partei DIE LINKE verletzt, indem er bei der Durchführung seiner Sitzung vom 26. November 2015 gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit verstoßen hat. Dieser Verstoß hat aber nicht die Unwirksamkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse zur A 52 zur Folge. Das hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom heutigen Tag entschieden.

Im Mittelpunkt der Tagesordnung der Ratssitzung vom 26. November 2015 stand der mögliche Ausbau der B 224 zur Autobahn A 52. Wegen des erwarteten großen Zuschauerandrangs wurden für die Ratssitzung vorab Eintrittskarten vergeben. Insgesamt 24 Karten wurden an die Presse, an bestimmte Funktionsträger und an Personen im Umfeld des Bürgermeisters vergeben. 25 Plätze erhielten die Ratsfraktionen nach Proporz. Das verbleibende Kontingent von 24 der insgesamt 73 Plätze vergab die Verwaltung nach der Reihenfolge der telefonischen Anfragen an interessierte Bürgerinnen und Bürger. Die Ratsfraktion DIE LINKE hält dieses Vergabesystem für rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat ihrer Klage, die auf Feststellung der Unwirksamkeit der in der fraglichen Sitzung gefassten Beschlüsse wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit gerichtet ist, stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des beklagten Rates der Stadt hatte teilweise Erfolg.

In der mündlichen Urteilsbegründung hat der Vorsitzende ausgeführt, der Rat der Stadt habe gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit von Ratssitzungen verstoßen und dadurch Rechte der Klägerin verletzt. Sitzungsöffentlichkeit bedeute, dass grundsätzlich eine Zugangsmöglichkeit für jedermann ohne Ansehen der Person im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten bestehe. Es sei zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Teil der vorhandenen Zuhörerplätze bestimmten Interessenten vorbehalten und damit der allgemeinen „Jedermanns“-Öffentlichkeit entzogen werde. Voraussetzung dafür sei zum einen, dass für die dadurch bewirkte Beschränkung der Öffentlichkeit mit den Prinzipien der Sitzungsöffentlichkeit zu vereinbarende sachliche Gründe vorliegen, und dass daneben noch eine relevante Anzahl an allgemein zugänglichen Plätzen verbleibe. Diesen Anforderungen sei die Kartenvergabe nicht gerecht geworden. Der Rechtsverstoß führe allerdings nicht zur Unwirksamkeit der in der Ratssitzung gefassten Beschlüsse. Während beim vollständigen Ausschluss der Öffentlichkeit die Willensbildung und die Beschlussfassung jeder unmittelbaren Beobachtung und Teilnahme durch die Bevölkerung entzogen seien, fänden diese Vorgänge bei einer fehlerhaften Platzvergabe gleichwohl vor den Augen der - wenn auch unvollkommenen - Öffentlichkeit statt. Der Verfahrensverstoß habe daher kein vergleichbares Gewicht, das die Rechtsfolge der Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse rechtfertigen würde.

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Aktenzeichen 15 A 2750/18 (I. Instanz: VG Gelsenkirchen 15 K 5404/15)