Am 31. Mai 2021 ist Dr. Ricarda Brandts, die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, gut acht Jahre nach ihrer Ernennung im Februar 2013 in den Ruhestand getreten.

In die Amtszeit von Dr. Brandts im Verfassungsgerichtshof fielen wichtige Entschei­dungen, die Politik und Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen betrafen. Im Juli 2014 ent­schied das Gericht, dass die vom Landesgesetzgeber festgelegte Beamten- und Richterbesoldung teilweise verfassungswidrig zu niedrig war. In zwei grundlegenden Urteilen zum kommunalen Wahl­recht erklärte der Verfassungsgerichtshof 2017 die 2,5 %-Sperrklausel für die Wah­len der Gemeinderäte und Kreistage und 2019 die Abschaffung der Stichwahl bei Bürger­meister- und Landratswahlen für verfassungs­widrig. Die Einführung der Indivi­dualver­fassungsbeschwerde zum 1. Januar 2019 veränderte die Arbeit des Gerichts wesent­lich. Seitdem kann jedermann die Verlet­zung seiner durch die Landesverfassung ga­rantierten Grundrechte geltend machen, was zu einem erheblichen Anstieg der Ver­fah­ren von 6 im Jahr 2018 auf 217 im Jahr 2020 geführt hat. „Der Wandel des Ver­fassungsgerichtshofs von einem Staatsge­richtshof zu einem Bürger­gericht war mir ein besonderes Anliegen“, so Dr. Brandts. In Eilverfahren, die mit Verfassungsbe­schwerden von Bürgerinnen und Bürgern ver­bunden waren, hatte der Verfassungs­gerichtshof zuletzt vielfach über Corona-Maß­nahmen zu entschei­den, etwa über die Maskenpflicht, den Distanzunterricht oder die Kontaktbeschränkungen.

In den letzten beiden Jahren ihrer Amtszeit hat die Präsidentin die Suche nach einer geeigneten Immobilie für den Verfassungsge­richtshof vorangetrieben. Das Gerichts­gebäude am Aegidiikirchplatz ist inzwischen für die gemeinsame Unterbringung des Verfassungs­gerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts zu klein. Zudem endet die bisherige Personalunion in der Leitung beider Gerichte mit dem Ruhestand von Dr. Brandts. „Gerne hätte ich dies noch zum Abschluss ge­bracht. Lange Zeit fehlte es in den entscheidenden Momenten aber leider an der erforderli­chen Unterstüt­zung. Ich hoffe, dass der Verfas­sungsgerichtshof nun bald einen angemessenen selbst­ständigen Standort in Müns­ter be­kommt“, so Dr. Brandts.

Als Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts hatte Dr. Brandts große Herausforde­rungen zu bewältigen. Die stark angestiegenen Flüchtlingszahlen 2015 und 2016 ha­ben zu einer erheblichen Be­lastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Asylverfahren ge­führt, deren Eingänge in den Jahren 2016 und 2017 ein Rekordniveau erreichten. Die Ver­fahren konnten mit Hilfe von personellen Verstärkungen, sinnvollen Organisa­ti­onsent­scheidungen und großem Engagement aller Beteiligten inzwischen weitge­hend ab­gearbeitet werden. In der Corona-Pandemie hat sich ausgezahlt, dass Dr. Brandts früh die Digitalisierung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorangetrieben hat. Die Ein­führung der elektroni­schen Gerichtsakte, die Ausstattung der Richterin­nen und Rich­ter mit mobilen IT-Ge­räten und die Schaffung von Telearbeitsplätzen für andere Ge­richtsangehörige ha­ben die Gewährung effektiven Rechtschutzes unter Pandemiebe­dingungen erheb­lich erleichtert. Ab November 2021 werden die Akten bei allen sie­ben Verwal­tungs­gerich­ten in Nordrhein-Westfalen und dem Oberverwal­tungsgericht nur noch elektro­nisch geführt.

Dr. Ricarda Brandts, 1955 in Erkelenz geboren, arbeitete nach ihren juristischen Staatsprüfungen 1981 und 1984 zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ruhr-Universität Bochum, wo sie 1990 auch promoviert wurde. Im April 1988 begann sie ihre Justizkarriere als Richterin beim Sozialgericht Dortmund, 1994 wurde sie zur Richterin am Landessozialgericht befördert. Nach einer zweijährigen Abordnung an das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfa­len wurde Dr. Brandts 1997 zur Präsidentin des Sozialgerichts Dortmund ernannt, 2000 dann zur Vizepräsidentin des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen. 2008 wechselte sie an das Bundessozialgericht in Kassel. Im November 2010 wurde Dr. Brandts Präsidentin des Landessozialgerichts. Seit dem 27. Februar 2013 war sie Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und da­mit - nach damaliger Rechtslage - zugleich Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen.

Zur neuen Präsidentin des Verfassungsgerichts­hofs hat der Landtag Prof. Dr. Dr. h. c. Barbara Dauner-Lieb gewählt. Die Nachfolge von Dr. Brandts im Präsidenten­amt des Oberverwaltungsgerichts ist noch offen.